Degradierung zur Konsumentin – ein weiterer Schritt zur Entsolidarisierung der Gesellschaft

Im Zusammenhang mit dem Gesundheits-wesen geht es in der Öffentlichkeit primär um die Kosten und KostenverursacherInnen. Die Benennung jener geschieht nicht zuletzt auf subtile Art und Weise auf der sprachlichen Ebene und führt so zu einer Entsolidarisierung in der Gesellschaft und zum Verlust der Fähigkeit, Kämpfe zu sehen.

Kosten und KostenverursacherInnen

Wenn heute über das Gesundheitswesen, Gesundheit + Krankheit sowie Pflege diskutiert oder geschrieben wird, geht es ausschliesslich um Kosten, Finanzierung und vor allen um – «zu teuer». Die Vorstellung, dass eine gute Gesundheitsversorgung ( für wenig Verdienende gratis ) kosten und vom Gemeinwesen bezahlt werden soll, hat sich auch aus linken Debatten verabschiedet. Die Fixierung auf PatientInnen als KostenverursacherInnen soll durch Umbenennungen in den Köpfen verankert werden: von PatientInnen zu KundInnen und KlientInnen. Vorbereitet wird damit ein weiterer Schritt zur Entsolidarisierung der Bevölkerung, ein Ausdehnen der «JedeR gegen JedeR»-Mentalität zugunsten der neoliberalen Strategie, die Finanzierung der Gesundheitsversorgung an Private zu übergeben bzw. aus staatlicher Sicht, ganz abzuschaffen.

KlientInnen und Kunden

Das Benennen von Patientinnen als Kundinnen/Klientinnen suggeriert eine Wahlmöglichkeit, die es bei Krankheit nicht gibt! Worte wie «Bedarf» und «Bedürfnisse» unterscheiden zwischen einer Minimalvariante, die als «legitim» erscheint, und einem übertriebenen Anspruch von PatientInnen als Kostenfaktor. Was dabei als bedarfsgerecht bezeichnet wird, variiert nach aktueller Doktrin. Vor einigen Jahren galt es noch als erstrebenswert, eine ganzheitliche Pflege zu bieten. Heute wird von Pflegeleitungen öffentlich als ein (Kosten-) Problem genannt, dass auf Pflege angewiesene immer mehr Ansprüche erheben und sich Pflegende zu wenig abgrenzen können. Ist es denn wirklich so übertrieben, dass Menschen in einer Krisensituation, was eine Krankheit immer ist, nicht nur technisch, sondern auch persönlich gut betreut werden?

Der Gesundheitswahn

Der Gesundheitswahn, der seit Jahren immer mehr zunimmt, ist zu einem lukrativen Markt geworden. Die Angebote, sich innerlich und äusserlich «gesund/fit/jung/schlank» zu halten, sind enorm. So wird fleissig gewellnesst, gefittet, gewässert, gefastet. Diese Beschäftigung mit sich selbst, entfernt nicht nur von Andern, sie verändert die Sicht auf Krankheit und kranke Menschen generell. Am Beispiel von Kampagnen gegen RaucherInnen und gegen Übergewichtige wird aufgezeigt, wie viel falsches Verhalten kostet.
Wenn Krankheit aber nur noch als «selbstgemacht», d.h. als etwas wahrgenommen wird, das frau bekommt, weil sie etwas zuviel oder zuwenig, oder das falsche getan oder nicht getan hat, heisst das, dass Gesunde sich über Kranke stellen. Denn offensichtlich haben sich diese richtig verhalten, während jene ein Fehlverhalten an den Tag legen. Was genau dieses richtige Verhalten sein könnte, verändert sich alle paar Jahre, weshalb es sowieso KeineR gelingt, alles richtig zu machen. Was bleibt, ist aber die eigene Schuld, das Unmögliche nicht möglich zu machen.

Solidarität und Kämpfe

Das sind nur zwei Beispiele, wie unsere Fähigkeit, solidarisch zu denken und zu handeln, abhandengekommen ist. Ohne solidarisches Denken in unserem eigenen Umfeld, verlieren wir auch die Fähigkeit, Kämpfe zu sehen, die weltweit geführt werden und die uns zeigen, dass es viele Menschen gibt, die sich gegen Kapitalismus und neoliberale Indoktrinierung organisieren und kämpfen.

Für den 8.März, dem internationalen Frauenkampftag, rufen wir euch zur Solidarität mit allen kämpfenden Frauen weltweit, aber besonders den Frauen der YPJ/HPJ und der Bevölkerung von Kobane auf, die mit ihren Entwurf und der Umsetzung einer herrschaftsfreien, ökologischen und geschlechterbefreiten Gesellschaft, eine Alternative zum entsolidarisierten Kapitalismus aufbauen.
FrauenLesbenKasama
frauenlesben@kasama.ch